Letzte Woche habe ich euch von den Schwierigkeiten erzählt, die wir in unserer Schule aufgrund von Korruption hatten. Ich habe erklärt, wie Bildung in Indien zu einem ganzen eigenen Geschäftszweig geworden ist. Schließlich habe ich noch eine kleine Zusammenfassung unseres Schulkonzepts geschrieben, darüber, für wen wir das tun, was wir tun: für die armen Kinder unserer Gegend und ihre Familien. Ich hatte bereits angekündigt, dass ich all meine Ideen und Gedanken für die Zukunft hier ausbreiten würde und ich glaube, das wird die ganze Woche einnehmen! Heute beginne ich mit einem unserer grundlegenden Probleme: wer ist ‚arm genug‘ für unsere Schule und wer ist schon wohlhabend genug?
Immer, wenn wieder Schuleinschreibung ist, gehen wir persönlich zu allen Kindern nach Hause und sehen uns an, wo und wie sie leben. Das dient mehreren Zwecken – zum Einen lernen wir jedes Kind besser kennen und erfahren mehr über die äußeren Umstände seines Lebens, was uns unseren Schülern näher bringt. Und dann erfahren wir natürlich auch, ob sie alle wirklich einen Platz in unserer Schule brauchen.
Es ist wirklich keine einfache Aufgabe und wir sehen immer große Unterschiede zwischen den Familien, deren Kinder an unsere Schule gehen. Es gibt welche, die ihr eigenes Haus haben, geerbt von Vorfahren oder mit Hilfe eines Kredits gekauft. Andere leben in einer Art Hütte, nur auf drei Seiten Ziegelwände, das Dach ein großes Stück Blech, das bereits Löcher hat. Manche müssen jeden Tag losziehen und Arbeit suchen oder haben eine Krankheit, die sie vom Arbeiten abhält, während andere fest angestellt sind, wovon sie aber einfach nicht viel verdienen. Manche verdienen genug, um eine kleine vierköpfige Familie zu ernähren – aber sie haben sieben Kinder! Andere haben nur ein Kind – aber nur noch ein Elternteil kann Geld verdienen!
Ihr seht bereits, die Unterschiede sind groß und in den meisten Fällen wissen wir bei einem Besuch sehr bald, in was für einer Situation die Familie sich befindet. Es gibt kaum Fälle, in denen wir den Eltern sagen, dass wir ihre Kinder nicht nehmen. Aber es gibt sie.
Wenn wir normalerweise Kinder haben, deren Väter um die 4000 Rupien pro Monat verdienen und wir kommen in eine Familie, in der der Vater etwa 10000 Rupien verdient und er nur ein kleines Kind ernähren, großziehen und zur Schule schicken muss, so sagen wir den Eltern, sie sollen doch eine andere Schule suchen. Der Platz, den dieses Kind in unserer Schule einnehmen würde, könnte an jemanden gehen, der sich eine andere Schule wirklich nicht leisten kann! Jemand, der es noch nötiger hat.
Gleichzeitig jedoch wissen wir, dass dieser Vater auch nicht reich ist! Wir wissen, dass er genug Schulen finden wird, dass es für ihn jedoch schwierig sein wird, eine Schule mit guter Qualität zu finden, die er sich dann auch leisten kann. Es wird ihm unmöglich sein, eine Schule mit dem Bildungsniveau unserer Schule zu finden! Was sollen wir machen – wir haben unsere Grenzen! Da ist diese Vision, den Armen zu helfen und so vielen von ihnen wie möglich, aber es gibt eben auch einen Punkt, an dem wir nein sagen müssen.
Ich möchte diese Situation nicht mehr haben. Entscheiden zu müssen, wer arm genug ist und wer zu viel Geld hat, um an unsere Schule zu gehen. Für jetzt muss es so weitergehen – aber für die Zukunft gibt es da eine Idee, etwas zu ändern – und in den nächsten Tagen werdet ihr mehr darüber lesen.