Heute, bei einem Spaziergang im Ashram, konnten wir Musik hören. Es waren nicht die sanften Glockenklänge der Tempel, die wir oft hören, sondern Musik und Gesang, was auch nicht sehr ungewöhnlich ist, aber leider normalerweise lauter als die Glocken, da es über Lautsprecher verstärkt wird. Es wurde immer lauter, je näher wir ans Tor kamen und bis wir dort waren, hatte es eine unerträgliche Lautstärke erreicht. Es ist kein Wunder, dass ich wieder einmal darüber nachdachte, was in den Köpfen religiöser Menschen so vor sich geht!
Purnendu läuft den Parikrama Marg jeden Tag. Es ist ein Pilgerweg, der in zehn Kilometern um die Stadt herum führt und so an vielen Tempeln vorbeiführt. Er läuft ihn, um sich zu bewegen, aber natürlich sieht er im Vorbeilaufen ein bisschen was von dem, was in den Tempeln vor sich geht. Während wir von der Straße zurückgingen, so dass wir uns unterhalten konnten, erzählte er mir, dass in dem Tempel, aus dem die laute Musik kam, nur eine Handvoll Leute saßen. Es war recht leer und man konnte die Musik hören – nicht sehr melodiös, aber das hätte die Leute draußen nicht gestört. Leider hatten sie das Mikrofon und die schrecklichen Lautstärker voll aufgedreht. Ich kann mir vorstellen, dass drinnen eine recht nette Atmosphäre herrschte mit ihren zehn oder fünfzehn Leuten, die vielleicht ihre Freude daran hatten – aber von draußen hörte es sich an, als wäre da eine Band und ein Chor, die für Tausende Leute sangen, so dass sie auch draußen Lautsprecher haben mussten, da sie es nicht alle live hören konnten!
Meine Schlussfolgerung – und das ist nicht das erste Mal, dass ich zu dieser kam – ist, dass Religion voller Scheinheiligkeit steckt. Sie haben eine kleine Zeremonie, einen kleinen Gottesdienst drinnen – aber wichtiger ist es, dass die ganze Umgebung es hört! Wäre es nicht einfach genug, für sich selbst zu beten? Religiöse Leute sind nicht so sehr an ihrer Religion interessiert, wie sie daran interessiert sind, anderen zu zeigen, wie religiös sie sind! Das ist eine Erkenntnis, die ich schon vor langer Zeit gehabt habe, aber es gibt einfach immer wieder Zeichen, dass es wirklich wahr ist.
Hast du unter deinen Facebook-Freunden religiöse Menschen? Und hast du gesehen, dass sie Bilder von Göttern posten oder Psalmen, Mantras oder Verse aus Schriften schreiben? Gott hat kein Facebook-Profil – wem also wollen diese Leute zeigen, dass sie religiös sind, wenn nicht Gott? Offensichtlich wollen sie ihren Verwandten und Freunden zeigen, wie religiös sie sind! Sie tun es für andere, um das Ausmaß ihrer Hingebung zu zeigen – und vielleicht, dass sie mehr davon haben als andere?
Hier in Indien lassen sich viele religiöse Leute der höheren Kaste eine Haarsträhne am Hinterkopf langwachsen. Moslems und Sikhs lassen ihren Bart oder das ganze Haar wachsen. Sie sagen, damit haben sie eine bessere Verbindung zu Gott – als ob sie sich über ihr Haar auf göttliche Frequenzen einschwingen könnten. In Wahrheit wollen sie alle Leute wissen lassen, dass sie religiöser sind, eine bessere Verbindung zu Gott haben, aus einer höheren Kaste stammen und einfach besser sind als die um sie herum, die ihre Haare nicht so tragen! Weil wir alle wissen, dass da nichts göttlicheres dran ist, wenn man langes oder kurzes Haar hat!
Ich glaube, dass all diese dummen Ideen und Rituale, diese Angeberei dem Gedanken an Gott, Religion und Glaube viel mehr Schaden gebracht hat als Gutes. Intelligente Menschen fühlen sich davon abgestoßen und drehen sich weg von einer Religion, die voller scheinheiliger Angeber ist.
Oder von denen, die ihre Verehrung Gottes in die ganze Gegend hinausschreien wollen, wie bei einem Rockkonzert, was es den Leuten in der Umgebung schwer macht, eine Unterhaltung zu führen.