Vor einer Weile las Ramona eine Aussage auf ihrem Facebook-Newsfeed, die sie dazu veranlasste, auf einmal laut und voller Verachtung in der Stimme ‚esoterischer Unsinn!‘ zu sagen. Überrascht von ihrer Reaktion fragte ich sie, was sie denn gelesen hatte – und stimmte ihr schließlich zu. Einer ihrer Kontakte bat Frauen, ihre Kinder natürlich zu gebären statt per Kaiserschnitt und riet ihnen, sich keine Epiduralanästhesie geben zu lassen. Folgenden Grund gab er an: laut ihm entsteht durch die Wehen ein enges Band zwischen Mutter und Kind, weshalb folglich eine Epiduralanästhesie oder ein Kaiserschnitt diese Verbundenheit verhindert.
Tja, nun machen meiner Frau öffentliche Diskussionen auf sozialen Netzwerken keinen großen Spaß und so antwortete sie dort nicht, doch wir redeten über all die Dinge, die diese Stellungnahme so falsch machten.
Natürlich wissen wir, wo dieser Gedanke herkommt: es gibt einen Trend dazu, das genaue Datum und die genaue Zeit der Geburt eines Kindes festzulegen, indem man einfach einen Kaiserschnitt durchführt, nachdem das ungeborene Kind ein bestimmtes Gewicht erreicht hat und es medizinisch ungefährlich ist, es per Operation auf die Welt zu bringen. Es gibt Frauen, die eine natürliche Geburt nicht einmal versuchen wollen, sei es aus Angst vor den Schmerzen oder aus kosmetischen Gründen.
Das ist wahrscheinlich das Problem, das dieser Mann eigentlich ansprechen wollte. In der Welt esoterischer Superlative und spiritueller Verbindungen zu alles und jedem konnte er es jedoch nicht einfach so sagen, wie es ist: die Geburt ist ein natürliches Ereignis, bitte nehmt die Veränderungen, die sie deinem Körper bringen, als natürlich an. Nein, er musste Mutterliebe und dieses besondere Band da mit reinbringen, um das Ganze noch wichtiger und spiritueller zu machen.
Einige Leute meinten in Kommentaren, sie würden diese Theorie bezweifeln und fragten nach beweisen, doch er antwortete, er brauche keine Beweise. Denn jeder würde all das am meisten lieben, was er durch Schmerzen erlangt hatte.
Oh nein! Ich kann jede Mutter, deren Kind aus medizinischen Gründen per Kaiserschnitt zur Welt kam, buchstäblich laut fluchen hören! Ohne jegliche Wehen, ohne die Möglichkeit, diese Schmerzen zu erleben, die angeblich so viel mehr Liebe verursachen!
Es mag sich ja toll anhören, wenn man über diese herrliche Liebe spricht, die eine Mutter nach einer schmerzvollen Geburt verspürt, wenn sie die Quälerei vergisst und trotz oder sogar aufgrund der Schmerzen diese Verbindung spürt. Es ist jedoch kompletter Unsinn, denn das würde genauso bedeuten, dass Mütter, die ihre Kinder per Kaiserschnitt bekommen oder die Schmerzen nicht aushalten konnten und Schmerzmittel bekamen, ihre Kinder nicht genauso sehr lieben. Mit ihren Babys keine so enge Verbindung haben.
Wir haben Apra per Kaiserschnitt bekommen. Trotz der Bemühungen der Ärzte, die Wehen einzuleiten, fühlte Ramona sich während wir auf unser Baby warteten zu keinem Zeitpunkt auch nur unbehaglich. Als die Ärztin uns schließlich sagte, dass es riskant wäre, auf eine natürlich Geburt zu warten, waren wir bereit dafür, dass unsere Tochter per Operation auf diese Welt kommt. Hätten wir einen Hirnschaden oder Herzprobleme riskieren sollen, nur um diesen Schmerz zu erleben? Macht das unser Geburtserlebnis weniger wertvoll?
Oh nein, das macht es nicht. Und ich sage bewusst ‘unser Geburtserlebnis’, weil ich von Anfang bis Ende dabei war. Ich hielt Ramonas Hand, während der Arzt ihren Bauch öffnete, ich sah zu, wie das Wunder sich entfaltete und meine Tochter das Licht der Welt erblickte.
Nein, ihr könnt mir nicht sagen, Ramona hätte eine weniger enge Verbindung mit Apra, weil sie nicht mindestens sieben Stunden Wehen hinter sich hat – denn sie sind einander genauso nah, wie ich bei jeder anderen Mutter und ihrem Baby gesehen habe! Nein, ihr könnt mir nicht sagen, dass die Zeit der Geburt für uns auch nur im Geringsten weniger zauberhaft war – denn wir liebten unsere Zeit im Krankenhaus von Anfang bis Ende und sogar heute noch!
Und das gilt auch für jede andere Frau auf dieser Erde. Deine Verbindung zu deinem Kind hängt von deiner Liebe ab und nicht von einer bestimmten Zeit des Leidens!
Schließlich ist da noch das für mich größte Argument hier: ich habe eine sehr enge Verbindung zu meinem kleinen Mädchen. Ich hatte keine Wehen und sie war noch nicht einmal in meinem Bauch, aber sie ist ein Teil von mir, egal, wie sie auf die Welt kam. Väter haben diese Verbindung auch!
Also lass deinen esoterischen Unsinn bitte aus Sachen raus, in denen er überhaupt nichts verloren hat – so vermeidest du, andere zu beleidigen!