
Im Ashram findet im Moment die Yogalehrer-Fortbildung statt und ich habe auch bereits einige Vorträge gehalten. Einer davon drehte sich um Perfektion im Yoga. In einem ähnlichen Kurs fragte mich einmal ein Schüler ‚Ich denke nicht, dass ich wirklich Yoga unterrichten kann, es gibt so viele Yoga-Übungen, in denen ich noch nicht perfekt bin!‘
Besonders im Westen habe ich oft gesehen, dass Yogalehrer meinen, sie müssten in den Asanas perfekt sein. Sie wollen eigentlich in allem perfekt sein und das auch sofort. Sie machen sich selbst jede Menge Druck, weil sie ihren Schülern die schwierigsten Yoga-Stellungen ohne zu wackeln, ohne weitere Unterstützung und ohne Fehler zeigen wollen. Vielen ist es dann furchtbar peinlich, wenn sie in einer Gleichgewichts-Übung nach Halt suchen müssen. Sie trauen sich nicht einmal, einige solcher Übungen zu machen, aus Angst, dass das geschehen könnte.
Dieses Zögern ist jedoch nicht bei den Asanas zu Ende, es spiegelt sich in allem wieder, was der Yogalehrer tut. Ein neuer Weg der Meditation wird erst so lange alleine oder mit den eigenen Kindern geübt, bis er perfekt erscheint und wenn jemand eine unerwartete Frage stellt, wird man nervös. Dieser Wunsch, perfekt zu sein, kann einem wirklich die Freude am Unterrichten verderben.
Wenn ein Yogalehrer den tiefen Wunsch hat, perfekt zu sein, spielt er vielleicht sogar die Rolle des perfekten Lehrers. Selbst wenn er die Antwort auf deine Fragen nicht kennt, antwortet er schnell, egal was du ihn fragst. Eine einfache Asana wird stundenlang geübt und die Schüler werden Schwierigkeiten haben, so perfekt auszusehen wie der Lehrer. Hinter dieser Maske der Perfektion steckt jedoch die Angst, nicht perfekt zu sein.
Es ist so unnötig und für deinen Unterricht wenig hilfreich, wenn du so denkst! Stell dir vor, wenn die Schüler auch so denken würden und nur kämen, wenn sie schon alles wissen. Wenn sie der Meinung wären, es sei peinlich, wenn sie eine Übung nicht machen können, wie würdest du ihnen dann etwas beibringen?
Du musst nicht perfekt sein, nicht als Yogaschüler und nicht als Yogalehrer. In unseren Kursen für Fortgeschrittene unterrichten wir nicht in Perfektion, wir unterrichten, wie man weiter gehen kann als zuvor. Man lernt, die Grenzen des Körpers zu akzeptieren und sie eventuell langsam zu erweitern. Vor allem lernt man, sich selbst zu akzeptieren und zu lieben, egal, wie weit man in einer Stellung gehen kann.
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Danke für diesen Beitrag und für eure große Mühe, den Geist Yogas verständlich zu machen und in die Welt hinauszutragen!
Auch ich habe als Yoga-Lehrer Bedenken, wenn ich eine Übung nicht perfekt beherrsche, weil ich Angst davor habe, dass Schüler dies als Inkompetenz verstehen könnten. – Dennoch traue ich mich Schüler fairerweise darauf hinzuweisen, was sie an einer Übung besser machen können, wenn ich sie auch nicht ganz perfekt vorzeigen kann.
– Grundsätzlich glaube ich aber, dass ein Lehrer oder Meister in 1. Linie wissen muss, wie die Übung durchzuführen ist. Es ist aber nicht unbedingt erforderlich, dass er auch jede Übung perfekt vorzeigen können muss.
(Was wäre z.B. mit einem Spitzen-Lehrer, der sein ganzes Leben immer meisterlich Übungen durchführen konnte, dies dann aber mit 70 oder 80 Jahren zusehends nicht mehr kann? – Es wird sicher trotzdem niemand daran zweifeln können, dass er dennoch ein Meister geblieben ist. Denn er wird weiterhin wissen, worauf es bei der Übung ankommt, die er erklärt und vermittelt.)
Sami aus Österreich
– Danke, dass es euch gibt!