
Heute möchte ich gerne ein paar Zeilen schreiben, zu denen ich kürzlich von einer Besucherin im Ashram inspiriert wurde, die für einen Yoga-Retreat für Fortgeschrittene gekommen war. In ihrem täglichen, zweistündigen Unterricht mit Yashendu kam ein Thema auf, das für Yogalehrer und auch Yogaschüler immer interessant ist: sollte ein Yogalehrer seine Schüler korrigieren?
Es ist ja klar, dass verschiedene Lehrer verschiedene Antworten auf diese Frage haben. Ich möchte meine Sichtweise heute aufschreiben und die kann man eigentlich gut in einem Satz zusammenfassen: so wenig wie möglich, so viel wie nötig.
Als ich Yoga unterrichtete, hielt ich mich immer an dieses Prinzip und auch Yashendu und Ramona folgen ihm. In einem gewöhnlichen Workshop wird man selten hören, dass einer von uns eine Einzelperson korrigiert, ihm oder ihr sagt, dass die Stellung falsch ist.
Warum? Natürlich stellt diese Frage jeder Yogalehrer, der es gewöhnt ist zu korrigieren und jeder Yogaschüler, der es gewöhnt ist korrigiert zu werden. Woher weiß man sonst, ob man es richtig oder falsch macht?
Zunächst einmal will ich sagen, dass es beim Yoga nicht darum geht, der Beste zu sein. Es ist kein Wettbewerb und während man danach strebt, seine Haltung zu verbessern, geht es hauptsächlich um sein Wohlbefinden und ein gutes Gefühl. Das vorrausgeschickt gibt es natürlich bestimmte Bewegungen, die man besser nicht machen sollte, wenn man sich gerade in der Stellung befindet. Für gewöhnlich jedoch passiert das nicht, wenn man vormacht, wie man in die Stellung rein und wieder rauskommt. Zusammen mit einer Beschreibung in Worten und dann folgen deine Schüler deinem Beispiel. Von Beginn an erwähnst du am Besten, dass jeder nur so weit gehen sollte, wie sein Körper es erlaubt und dass wir nie unsere Grenzen überschreiten sollten.
Sobald dieser Rahmen steht, hat es glaube ich vornehmlich eine negative Wirkung auf Yogaschüler, wenn es im Unterricht ständig Verbesserungen gibt. Es haben mir schon Leute erzählt, dass sie sich von ihren Lehrern entmutigt fühlten, weil sie immer gesagt bekamen, was sie falsch machten. Es besteht das Risiko, dass du so deinen Schülern beibringst, sich auf das Äußere zu konzentrieren und auf Negatives, anstatt auf das gute Gefühl, das sie von ihrer Bewegung, dem Strecken und ihren Übungen bekommen.
Außerdem kennst du die Grenzen des anderen und dessen Körpers nicht. Besonders in Yoga-Workshops, die nur ein paar Stunden lang sind oder wenn du nur einige Tage mit einem Schüler arbeitest, kannst du selbst mit der medizinischen Vorgeschichte des Schülers im Kopf nicht verstehen, warum er seinen Fuß nicht so weit hochhebt wie du oder seinen Rücken nicht so weit vorbeugt wie sein Nachbar! Nun gehst du also hin und sagst ihm, er solle noch die Knie runterdrücken – aber körperlich kann er das einfach nicht! Wie frustrierend ein solches Erlebnis sein muss!
Wenn du wirklich das Gefühl hast, dass der andere nicht genau versteht, wo er seine Gliedmaßen hintun soll oder auf was er achten müsste, kannst du das doch auch anders sagen! Anstatt zu tadeln ‚Sandra, du sitzt krumm, richte dich auf‘ oder ‚Tim, die Hüften weiter runter‘, könntest du ganz allgemein sagen ‚Das Wichtige an dieser Stellung ist, die Wirbelsäule gerade zu halten‘ oder ‚Mit jeder Ausatmung lassen wir dir Hüften noch etwas weiter nach unten sinken.‘ Deine Schüler werden sich selbst bei diesen Worten betrachten und ihre Stellung verbessern, wenn sie das können.
Wenn man natürlich jemanden über längere Zeit hinweg unterrichtet, wenn der andere dich speziell bittet, ihn zu verbessern oder wenn du einem Yogalehrer beibringst, wie man Übungen weiter intensiviert, kann es auch Sinn machen, den anderen direkt zu korrigieren – aber in einer normalen Yogastunde ist das nicht der Fall!
Außerdem noch die eine Sache, die ihr in keiner unserer Klassen jemals sehen werdet: dass wir jemanden körperlich in die richtige Position oder weiter in die Dehnung drücken! Wenn du das tust, glaubst du, dass du den Körper einer anderen Person besser kennst, als er selbst. Das Problem ist: du kannst dem anderen körperlichen Schaden zufügen, ihn ernsthaft verletzen! Selbst, wenn du Anatomie studiert hast, selbst, wenn du die medizinische Vorgeschichte des anderen im Kopf behältst, kannst du den anderen verletzen, indem du zu schnell, zu weit, zu fest drückst!
Zum Schluss weißt du auch nicht, wie angenehm deinen Schülern deine körperliche Nähe wirklich ist! Sie mögen es vielleicht nicht, wenn du so nahe bei ihnen stehst, auf sie runterschaust und sie dann auch noch anfasst! Vielleicht fragst du ja, aber vor den zehn anderen Schülern der Klasse ist dein Schüler vielleicht zu schüchtern, nein zu sagen – und kommt dann nächstes Mal einfach nicht mehr.
Ich glaube einfach, dass man im Unterricht niemanden berühren muss und würde empfehlen, auch die direkten, wörtlichen Korrekturen zu reduzieren. Sagt mir in den Kommentaren, was ihr macht!
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Lieber Swami Balendu!
Ich danke sehr für diesen Eintrag!
– Ich empfinde es auch als unmöglich, wenn Yoga-Lehrer/innen ihr eigenes Können zur Schau stellen, aber es kein Schüler nachmachen kann.
Auch halte ich körperliche Berührungen überflüssig und versuche es fast immer zu vermeiden. – Wenn die wörtliche Beschreibung beim Vorzeigen der Übung und dann noch einmal bei der Nachvollziehung der Schüler gut genug ist, sollte das auch ausreichend sein.
Auch ich verbessere nicht ganz so perfekte Haltungen bei Schülern selten. – Außer sie gehen an der Übung weit vorbei oder könnten schaden.
– Und wenn, dann erkläre ich es im Anschluss der gesamten Gruppe nochmals unpersönlich und worauf es bei der einzelnen Übung ankommen sollte.
Ich freue mich, dass ich als Nicht-Inder und aufgewachsen in Europa mit eurer Philosophie des Lehrens in diesen Dingen übereinstimme.
Ich danke euch allgemein wirklich sehr, dass es euch gibt und ihr euch so viel Mühe gebt. Ich habe sehr viele Übungen von euch in meinen Unterricht eingebaut, und ihr seid eine wirklich sehr, sehr große Bereicherung!
Als Dank habe ich auch schon einmal für eure Organisation gespendet. Es ist ganz toll, was ihr tut!!! Wenn ich wieder einmal Geld habe, bekommt ihr auch wieder etwas.
Mein größter Wunsch wäre es, euch einmal kennen zu lernen oder auch nach Indien zu kommen. Mir fehlen aber leider die Mittel.
Ich wünsche euch eine schöne Zeit, sehr, sehr viel Erfolg und der Kosmos behüte euch!!
Sami aus Österreich
[email protected]
Yoga-geistig-koerperlicher-Sinn.Jimdo.com