Frisch zurück in Indien bin ich natürlich wieder einmal sensibel für all die kulturellen Unterschiede, die zwischen dem Leben in Deutschland und dem Leben hier bestehen. Es macht aber Sinn: wir sind alle Menschen und unsere Gefühle unterscheiden sich nicht allzu sehr voneinander. Heute möchte ich wieder einmal über die Liebe sprechen.
Wie ihr wahrscheinlich wisst, sind viele Ehen in Indien, in der Tat eine Mehrheit von ihnen, arrangierte Ehen. Üblicherweise von den Eltern arrangiert. Oft sehen die Braut und der Bräutigam einander an ihrem Hochzeitstag zum ersten Mal, obwohl es immer moderner wird, sie einander zumindest einmal zuvor treffen zu lassen.
Die Idee hinter diesem Konzept ist, dass Liebe sich mit der Zeit entwickeln würde, wenn man diese Zeit eben nur miteinander verbringt. Aber stimmt das wirklich? Passiert das wirklich zwischen jeden zwei beliebigen Menschen? Das glaube ich nicht.
Jeder begibt sich mit dem Wunsch in die Ehe, Liebe zu erfahren. Jeder will liebe geben und empfangen. Aber Liebe ist leider kein Teil jeder Ehe, selbst nach langer Zeit. Ich habe gesehen, wie Liebe mit der Zeit kommt und ich war Zeuge von großartiger Liebe in arrangierten Ehen. Meine Eltern waren immer und werden immer das größte Beispiel der Liebe für mich sein, da sie selbst nach 50 Jahren Ehe immer noch sehr ineinander verliebt waren. Ich habe jedoch viele Beispiele von Ehen gesehen, in denen es nicht funktionierte. Wo die Liebe nie auftauchte, egal, wie viele Leute ihnen gesagt haben, das käme mit der Zeit.
Jetzt möchte ich euch noch die Ähnlichkeit zeigen: ich habe das auch im Westen bereits gesehen, wenn auch nicht ganz so oft. Nehmen wir ein Beispiel: zwei Leute hatten Sex miteinander. Es war ein One-Night-Stand oder vielleicht hatten Freunde in einer Nacht zuviel zu trinken und es ist einfach passiert. Das Ergebnis: eine Schwangerschaft. Sie beschlossen, zusammenzubleiben und das Kind zu bekommen. Für das Wohl des Kindes, aus moralischen Gründen, aus Unsicherheit, ob sie jemals jemand besseren finden können. Was auch immer der Grund war, es war nicht Liebe, weil sie eigentlich nie geplant hatten, die Intimität jener Nacht zu wiederholen!
Sie hofften, die Liebe würde mit der Zeit wachsen. Es würde geschehen, sie müssten nur Zeit miteinander verbringen. Dreißig Jahre vergingen und noch mehr – aber sie haben das Gefühl, dass sie nie wirklich Liebe erfahren haben. Es ist traurig, wenn man solche Geschichten hört, aber sie sind wahr. Das Gleiche geschieht in Indien: ihre Ehe war arrangiert, sie dachten ihr Ehepartner würde die Liebe ihre Lebens, aber sogar nach zwanzig Jahren ist da keine Liebe zwischen ihnen. Sie streiten, sie sind unglücklich miteinander und es herrscht keine Harmonie, geschweige denn Liebe.
Liebe wächst nicht unbedingt im Laufe der Zeit.
Man hängt aneinander, das ja. Man gewöhnt sich aneinander, man kommt gut miteinander klar, man meint, es wäre unbequem, nicht mit dem anderen zusammen zu wohnen. Aber es würde einem nicht das Herz brechen. Vielleicht findet sich die Liebe nie ein, nicht einmal im Laufe von dreißig langen Jahren.
Oder Liebe geschieht in nur 30 Sekunden.
Die Liebe ist sehr mysteriös – und man kann sie nicht vorhersehen!
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