Letzte Woche habe ich über kontroverse Philosophien geschrieben, von denen man im Hinduismus einige finden kann. Ich habe die Karma-Philosophie beschrieben, erklärt, dass die Leute während der Kumbh Mela ihr Bad im Ganges nehmen, um in den Himmel zu kommen oder Erlösung zu erreichen. Heute möchte ich über einen weiteren Widerspruch in der Karma-Philosophie schreiben, der sehr leicht Verwirrung schaffen kann.
Ich habe bereits erklärt, dass Himmel und Hölle im Hinduismus Ort sind, an denen man entweder für seine Karmasünden zahlen muss, oder dafür belohnt wird, dass man positives Guthaben auf seinem Karmakonto hat. Wenn du für dein ganzes schlechtes Karma gebüßt hast und deine Zeit der Bestrafung in der Hölle verbracht hast oder wenn du extra gutes Karma hast und es während deiner Zeit im Himmel aufgebraucht hast, solltest du mit einem Karma-Kontostand von Null wiedergeboren werden, als hättest du gerade ein neues Konto eröffnet.
Ich glaube jedoch, dass ihr alle schon gehört habt, dass Leute von Lektionen aus vergangenen Leben sprechen, von Karma eines früheren Lebens, an dem sie noch arbeiten müssen und dass sie die Schuld für Ereignisse dieses Lebens auf ihr Karma von ehemaligen Leben schieben. Das ist natürlich auch ein Konzept, das seinen Ursprung in Indien, im Hinduismus hat.
Da ist die Vorstellung, dass man in diesem Leben schlechtes Karma sammelt und dann zur Strafe als Wesen niedrigeren Bewusstseins wiedergeboren wird, als Hund zum Beispiel. Wenn man viel gutes Karma begangen hat, soll man dadurch belohnt werden, dass man in ein gutes Leben wiedergeboren wird. Über reiche Menschen, die im Leben sehr viel Glück haben, sagt man, dass sie von einem früheren Leben gutes Karma haben, während Menschen, die in arme Familien hineingeboren werden oder ernsthafte, gesundheitliche Probleme haben, besonders, wenn sie diese von Geburt an haben, schlechtes Karma von früher haben sollen. Menschen aus niedrigen Kasten sollen im Allgemeinen kein gutes Karma ins neue Leben mitgebracht haben, während Menschen aus niedrigen Kasten angeblich noch von vergangenen Leben gutes Karma haben.
In dieser Philosophie gibt es keinen Himmel und keine Hölle dazwischen, alles geschieht auf Erden, im Leben. Man trägt sein Karma mit ins nächste Leben. Wenn man den Punkt erreicht hat, wo man kein gutes oder schlechtes Karma mehr erzeugt, erreicht man Erlösung.
Ihr seht also, diese zwei Philosophien passen absolut nicht zusammen! Man kann entweder glauben, dass man ganz ohne Karma auf diese Erde kommt oder mit dem ganzen Karma vorheriger Leben. Es passt nicht zusammen, aber Hinduismus ist flexibel genug, um seine Anhänger wählen zu lassen, was sie wollen.
Wenn du dachtest, dass Sadhus, die sich vollständig von allem Materiellem gelöst haben, sehr fromme Menschen sind, die anderen Gutes tun, so liegst du falsch. Sie wollen anderen nicht helfen, sie wollen nichts Gutes tun und auch kein gutes Karma haben. Sie wollen die Erlösung erreichen, also bemühen sie sich, weder gutes noch schlechtes Karma zu erzeugen.
Dieser Philosophie entgegengesetzt ist eine weitere Einstellung entstanden, die Einstellung vieler Leute besonders hier in Vrindavan: sie wollen in Liebe und Hingabe leben. Sie tun Gutes und schaffen so gutes Karma, so dass sie immer wieder wiedergeboren werden. Sie wollen keine Erlösung, sie wollen wieder auf die Erde kommen, so dass sie noch länger in Liebe und Hingabe leben können.
Seht ihr nicht, dass das alles nur davon abhängt, wie man die Worte dreht? Seht ihr nicht, dass man sich einfach nur aussuchen kann, was einem am bequemsten ist? Und sobald man das erkannt hat, meint ihr nicht, dass die Religion an sich nur ein schlechter Scherz ist?