
In unserem Restaurant werden wir immer wieder Zeugen von etwas, gegen das wir nun schon viele Jahre lang arbeiten: häusliche Gewalt gegen Kinder. Leider ist das hier in Indien so üblich, dass kein Tag vergeht, an dem wir nicht sehen, wie ein Kind geschlagen wird oder ihm zumindest mit Schlägen gedroht wird. Mitten im Restaurant, wo es jeder sehen und hören kann. Ohne Scham oder Schuldgefühle. Es ist ganz normal.
Ich wusste das. Ich habe es schon immer gewusst, weil ich hier aufgewachsen bin. Für Ramona war es schockierend, wenn es auch im Laufe der Zeit erst so klar wurde. In den vergangenen Jahren, war das eher ein Thema, das wir in Schulen sahen. Klar: wir hatten Patenschaften für Kinder in anderen Schulen übernommen und körperliche Züchtigung, Gewalt, war eines der Probleme, die wir dort sahen. Wir eröffneten unsere eigene Schule und brachten unseren Lehrern bei, wie sie ohne Gewalt unterrichten. Es ist ein endloses Thema, weil man diese Gespräche, Workshops und Stunden mit neuen Lehrern immer wieder wiederholen muss! Es war ein direkter Austausch mit Lehrern, nicht so sehr mit Eltern – obwohl wir natürlich auch das sahen!
Mit Apras Geburt und in den Jahren, die folgten, wurden wir sehr stark daran erinnert, dass das auch in den Häusern und Familien ein Problem ist. Die Kinder von Angestellten im Ashram wurden geschlagen – und wir stellten uns dagegen. Wir schafften Regeln für Angestellte. Sie durften in unserem Ashram keine Gewalt und keine gewalttätige Sprache verwenden. Das war unsere kleine Welt hier, in der wir lebten.
Nun, mit der Eröffnung des Restaurants, ist die Außenwelt zu uns gekommen und dieser Aspekt davon ist etwas, was uns nicht gefällt. Etwas, was uns sogar sehr missfällt – was wir jedoch nicht ändern können, außer in unserer eigenen Umgebung.
Das sind kleine Kinder, die einfach nur hungrig sind, darauf warten, dass ihre Eltern endlich bestellen und dass dann das Essen kommt. Sie werden ungeduldig, können nicht stillsitzen und spielen mit dem Besteck, den Servietten und dem Geschirr. Manchmal gibt es nur die Drohung: ‚Hör jetzt auf oder es setzt was!‘, ‚Mach weiter und es hagelt Ohrfeigen!‘ und so weiter. Viel öfter sehen wir gleich die Handlung: eine Ohrfeige, ein Schlag auf die Hände, auf den Hintern. Und dann geht das Gespräch einfach weiter.
Es ist auch für alle um sie herum einfach nur normal. Nur wir sitzen da mit dem Gefühl, dass wir widersprechen wollen, dass wir einspringen und das Kind beschützen wollen. Mit dem Bedürfnis ihnen zu sagen, so etwas in unserem Restaurant nicht zu tun. Am Ende jedoch sind wir diejenigen, die hier seltsam erscheinen. Diejenigen, die es anders machen.
Schließlich sind unsere Gäste gebildete Menschen. Während die Eltern unserer Schulkinder daher kommen, was die Gesellschaft ‚untere Schicht‘ nennen würde, sprechen wir hier von der höheren Mittel- und der oberen Klasse.
Das, meine lieben Leser, ist Kultur. Es ist einer der dunkleren Aspekte unserer Kultur. Ich hoffe, das wird eines Tages verschwinden. Wir werden sowieso weiter dagegen kämpfen und hoffen nur, dass andere dem folgen, so dass wir den Tag noch erleben, an dem in unserem Restaurant kein Kind geschlagen wird!