
Ich habe begonnen, euch von unseren Erfahrungen bei unseren Schulkindern daheim zu erzählen. Am Montag habe ich euch erzählt, wie viele arme Leute in Tempeln und Ashrams arbeiten, dort religiöse Lieder singen oder Zeremonien durchführen. Gestern habe ich beschrieben, wie das Fernsehgerät sogar für die Ärmsten zur Notwendigkeit geworden ist. Heute möchte ich euch von etwas erzählen, was sogar unsere freiwilligen Helfer bemerkt haben, die uns bei Besuchen begleitet haben: es gibt so viele Mädchen!
Wenn man in die armen Gegenden geht, wo die Kinder unserer Schule leben, so sieht man definitiv eine weibliche Überzahl auf den Türschwellen der Häuser, auf den Straßen und auf den Dächern. Ältere Frauen, Mütter mit Babys auf dem Schoß, Mädchen im Teenager-Alter mit Wolle und Stricknadeln und kleine Mädchen beim Spielen. Dazwischen vereinzelt ein oder zwei Jungen. Definitiv eine Minderheit. Wie kommt’s?
Es gibt mehrere Gründe. Der erste und offensichtlichste ist, dass die Männer zur Arbeit gehen, während die Frauen daheim arbeiten, saubermachen, waschen und sich um die Kinder kümmern. Der nächste Grund ist jedoch nicht so leicht zu erklären.
Es gehen mehr Jungen zur Schule als Mädchen. Das ist auch eine Tatsache. Viele arme Menschen halten es einfach nicht für nötig, dass Mädchen viel lernen. Die Hauptsache ist, dass sie wissen, wie man einen Haushalt führt und wie man Kinder großzieht. Das ist etwas, das sie nicht in der Schule lernen, sondern daheim. Learning by Doing. Deshalb sind viele Jungen in der Schule, während ihre Schwestern – jünger und älter – daheim sind und ihren Müttern im Haushalt helfen. Für die Mutter eine willkommene Hilfe und etwas, das beide Elternteile für die Zukunft ihrer Töchter für notwendig halten.
Trotzdem jedoch sehen wir oft auf die Frage hin, wie viele Söhne und Töchter in einer Familie sind, dass sie vier Töchter und zwei Söhne haben. Drei Töchter und einen Sohn. Sogar fünf Töchter und überhaupt keinen Sohn.
Die Familien produzieren immer weiter ein Kind nach dem anderen, um zumindest einen männlichen Nachfolger für das Familiengeschäft oder zumindest den Familiennamen zu haben. Mindestens ein Junge, der sich um sie kümmern wird, wenn sie mal alt sind. Zumindest ein Sohn, der nicht wie seine Schwestern in ein anderes Haus verheiratet wird.
Sie sind nicht gebildet genug, um zu erkennen, dass sechs oder acht Kinder ihre finanziellen Probleme noch vergrößern. Dass sie bereits jetzt nicht genug Geld haben, um ihren vier Töchtern genug zu essen zu geben. Dass sie es sich nicht leisten können, ihre vier Töchter zu verheiraten und dass sie alles, was sie haben verkaufen müssen, um für die Hochzeit zahlen zu können oder ihnen zumindest eine kleine Mitgift zu geben.
Wenn die ersten zwei Kinder zwei Jungen sind, stehen die Chancen gut, dass die Eltern mit der Familie zufrieden sind. Der Hauptwunsch ist ein Sohn.
Eine Einstellung, die sie weiterhin in ihrer Armut hält. Sie und auch ihre Kinder.
Wir wollen ihnen helfen, etwas zu verändern. Sie unterstützen, indem wir ihre Töchter und Söhne unterrichten. Vielleicht versteht die nächste Generation das besser.