Ich erinnere mich an etwas, das vor mehreren Jahren geschehen ist, als meine Eltern noch in der Stadt lebten. Ich dachte, euch würde diese Geschichte gefallen.
Eines Tages saß ich draußen im Ashram vor dem Gebäude. Ein Mann kam durch das Tor und ging auf mich zu. Ich erkannte ihn, es war ein ehemaliger Klassenkamerad. Er war der beste Freund eines meiner Freunde – und ich hatte ihn seit 15 oder 20 Jahren nicht gesehen. Ich grüßte ihn und fragte ihn, wie es ihm ging. Er sagte mit trauriger Miene ‚Nicht sehr gut. Meine Frau ist sehr krank und liegt im Krankenhaus. Die Ärzte sagen, sie können ihr helfen, aber ich kann mir die Medizin nicht leisten. Ich habe das Geld einfach nicht. Könntest du mir helfen? Wenn du mir etwas Geld leihst kann ich ihr die Medizin kaufen und sobald es ihr besser geht, gehe ich wieder arbeiten und gebe es dir zurück.‘
Ich fragte ‘Wie viel brauchst du?‘ Und er sagte ‚500 Rupien‘. Das sind noch nicht einmal 19 Euro und natürlich sagte ich, ich würde ihm gerne helfen.
Ich habe hier nie Geld an mir, also ging ich ins Haus, um Purnendu zu sagen, er solle ihm etwas Geld geben. Ich sagte ihm, dass dieser Mann gekommen war und erzählte ihm die Geschichte der Krankheit seiner Frau. Schon beim Namen von diesem Mann sagte Purnendu: ‚Du weißt das natürlich nicht, weil du die meiste Zeit außerhalb Indiens reist, aber er ist dafür ziemlich bekannt.‘ ‚Bekannt für was?‘ fragte ich. ‚Oh, er läuft herum und erzählt den Leuten solche Geschichten. Manchmal ist seine Mutter krank, manchmal seine Frau, manchmal kriegt seine Frau Kinder und manchmal stirbt sein Großvater. Er leiht sich von überall Geld und gibt es nie zurück.‘
Als ich das von Purnendu hörte, war ich völlig schockiert. Doch dann sagte ich ‚Weiß ich was, es ist okay, ich kann es mir leisten, 500 Rupien zu verlieren.‘ Weil wir einander kannten, weil wir uns nach so langer Zeit wiedergesehen hatten oder einfach nur um jemandem zu helfen, selbst wenn er mich nur angelogen hatte. Er wird das ja wohl nicht zweimal mit der gleichen Person machen. Also gingen wir raus, er erzählte Purnendu die gleiche Geschichte und bekam seine 500 Rupien. Er war dankbar, sagte uns, er würde es uns so bald wie möglich zurückgeben und ging. Um ehrlich zu sein, vergaßen wir ihn danach völlig.
Etwa ein Jahr später waren Purnendu und ich eines Tages auf dem Weg zum Haus meiner Eltern, als wir ihn ein Stück vor uns laufen sahen. Als wir ihn erkannten, rief Purnendu seinen Namen, einfach nur, um Hallo zu sagen. Er drehte sich um, sah uns und rannte davon, als wäre jemand hinter ihm her. Da fielen uns die 500 Rupien ein und wir mussten lachen – das hatten wir völlig vergessen!
Danach sagte ich Purnendu jedoch, wie schade das Ganze war. Für mich war es im Endeffekt egal, aber er wird mir nun nicht mehr in die Augen sehen können – er hat ein schlechtes Gewissen! Er hatte diese 500 Rupien bestimmt recht schnell ausgegeben und dafür gab er dieses Gefühl der Freundschaft mit jemandem auf, der mit ihm in der Schule gewesen war. Naja, sollte er mir wieder einmal über den Weg laufen, werde ich ihn einfach freundlich grüßen und ihn wissen lassen, dass ich die 500 Rupien nicht wiederhaben will.