
Heute ist der große Tag, auf den alle Kinder – und auch viele Erwachsene – das ganze Jahr über gewartet haben: es ist Diwali. Diwali, oder Deepawali, ist das fest der Lichter und für halb Indien ist es der letzte Tag des Jahres. Wie ich euch bereits gestern erzählt habe, herrscht im Ashram im Moment eine Atmosphäre der fröhlichen Vorfreude. Am Nachmittag werden wir anfangen, die Öllampen aufzustellen, die wir am Abend anzünden werden. Jeder zieht sich dann neue Kleidung an und wir essen Süßes und genießen die Festlichkeiten. Was ist mit dem religiösen Teil dieses Feiertags, fragt ihr euch? Naja, lasst mich euch meine Gedanken dazu erklären.
Ihr wisst wohl alle, dass ich nicht an Rituale oder Zeremonien glaube. An Diwali verehren Hindus die Göttin Lakshmi und bitten sie um ihren Segen, der Reichtum und Wohlstand bringen soll. Ich glaube nicht, dass dich das Anzünden einer Kerze vor einer Statue oder einem Gemälde auf irgendeine Weise reicher macht, als du bist. Ich glaube auch nicht, dass man irgendeinen besonderen Segen bekommt, wenn man Blumen auf den Altar legt oder Süßes davor abstellt, bevor man es isst.
Trotzdem rufen meine Eltern und meine Großmutter, die immer noch religiös sind, nach ihren Vorbereitungen für ihr Ritual die ganze Familie zusammen. Ich komme, genau wie meine Frau und meine Brüder und mit der gesammelten Familie stehen wir vor den Statuen. Sicherlich nicht zur Verehrung, sondern einfach um der Feier willen. Unsere Eltern wissen, dass keiner von uns nun noch religiös ist. Wir hatten Gespräche und sie kennen unseren Glauben und unsere Einstellung. Mir würde es nichts ausmachen, kein Ritual daheim zu haben, aber ihnen eben schon. Für sie gehört es zu dem Tag, es ist ein Teil der Feier und wir gesellen uns zu ihnen, weil wir ihre Freude sehen. Ich sehe das nicht als religiöse Handlung, ich sehe es als Teil der Familienfeier.
Für mich könnte das genauso gut auch an einem anderen Teil stattfinden. Ich feiere gerne Diwali, obwohl ich mich selbst nicht als Hindu sehe. Genauso feiern wir auch Weihnachten, obwohl wir keine Christen sind. Natürlich könnte ich mit meiner anti-religiösen Einstellung auch verweigern, irgendetwas zu feiern, das mit Religion zusammenhängt und stattdessen verärgert daheim sitzen, weil die ganze Welt draußen feiert. Das würde jedoch bedeuten, dass die Gründe zu feiern in der Anzahl drastisch reduziert wären und ich die meiste Zeit vom Jahr über schlechter Laune wäre, weil die Leute hier viele religiöse Anlässe feiern. Ich sehe nicht ein, warum ich mich selbst unglücklich machen sollte! Stattdessen genieße ich, nehme das Leben, wie es kommt und bemühe mich dabei, keinen Aberglauben zu schüren.
Der wichtige Teil der Feier für mich ist einfach nur im Garten zu spazieren und die vielen Lichter zu bewundern, ein Festmahl mit jeder Menge Süßigkeiten zu essen und Bilder mit allen in ihrer schönen Kleidung zu machen. Liebe auszuteilen, den Abend miteinander zu feiern und beisammen zu sein.
Euch allen ein fröhliches Diwali!