Seit ich gestern nach Europa zurückgekommen bin, denke ich an einen Freund, den ich verloren habe und ich erkannte, dass ich immer noch verletzt bin. Ich habe in den letzten Tagen nicht mehr viel daran gedacht, aber jetzt bin ich wieder hier. Ich habe jemanden meinen Bruder genannt, doch ich fühle, dass in der westlichen Welt diesen Beziehungen kein Wert gegeben wird. Viele im Westen wissen nichts von der Liebe, die in dieser Art von Verbindung steckt. Ich habe dieser Person die gleiche Liebe geschenkt wie meinen Brüdern Yashendu und Purnendu. Die Liebe eines Bruders. Und ich wurde zu einem ‚Ex-Bruder’ gemacht. Und wie kann das sein? Wie kann ein Bruder ‚ex’ sein?
Hier denken viele Menschen, dass sie eine Freundschaft oder Beziehung mit einer einzigen Mail beenden können, an nur einem Tag. Es ist ein plötzlicher Schnitt, der in mir immer noch frisch ist. Meine beiden Brüder könnten nicht einen Gedanken in diese Richtung denken. Die Menschen hier wachsen in einer Kultur auf, in der es normal ist, dass eine Beziehung von einem Tag auf den anderen vorbei ist. Dann ist die Liebe plötzlich weg. Was auch immer darüber gesagt wurde, dass man ein Bruder sei und so viel Liebe empfängt und fühlt, alles ist vergessen. Dem was man sagt, gibt man keinen Wert. Ist es nur Gerede? Man sagst, dass man jemanden liebt und am nächsten Tag mag man jeden Kontakt abbrechen? Ich soll am Ende dieses Lebens den letzten Weg begleiten und dann ist alle Bruderschaft auf diese Weise vergessen? Wenn man etwas sagt, ohne es zu meinen, verletzt man andere! Da ist nicht genug Sensibilität. Plötzlich ist da kein Kontakt mehr. Ist das der richtige Weg?
Und warum gehen Menschen von einem Tag auf den anderen? Ich kann ihre Erwartungen nicht erfüllen. Wenn ich die Menschen nahe kommen lasse, entwickeln sie Erwartungen. Ich bin sensibel und darum bin ich auch verletzt. Und ich möchte diese Sensibilität behalten. Das macht mich auch besonders, so bin ich. Aber man kann verstehen, dass es schwierig ist, zu vertrauen, wenn diese Sachen geschehen.
Ich vergleiche das einfach mit der Freunschaft mit Michael oder Govind. Ich kenne Michael seit dem ersten Tag, an dem ich Fuß auf deutschen Boden setzte und ich habe nie eine Erwartung von ihm gespürt. Seitdem sieht er zu, wie eine Person nach der anderen kommt und geht. Ich weiß, dass Freundschaften mit mir wegen Erwartungen kaputt gehen, weil ich die Menschen nicht so unterhalten kann, wie sie es von mir wollen. Und Liebe und Erwartungen passen nicht zusammen.
Natürlich bin ich verletzt und traurig, wenn Menschen gehen und besonders auf diese Weise, aber auf der anderen Seite bin ich froh, wenn sie gehen. Wenn du in den letzten Tagen das Tagebuch gelesen hast, wirst du dich erinnern, dass ich von Schafen sprach. Und ich möchte diese Menschen nicht mehr um mich haben! Ich möchte keine Anhänger haben. Ich möchte nicht in dem Druck der Erwartungen leben, den Anhänger auf mich ausüben. Unerfüllte Erwartungen werden zu Enttäuschung, Wut, ego-Problemen und vielem mehr.
Ich fühle oft die Erwartungen der Menschen, in deren Haus ich bin. Ich habe ein komplett anderes Konzept von Gästen und Gastgebern. Thomas sagte heute morgen, dass es ungeschriebene Regeln für Gäste und Gastgeber gibt. Ein Gastgeber sollte Zeit darin investieren, den Gast zu unterhalten, indem er ihm zum Beispiel die Gegend zeigt und ein Gast sollte den Gastgeber unterhalten, indem er eine gute und interessante Person ist. Und auf diese Weise baut sich Druck auf. Und am Schluß wird der Gastgeber froh sein, wenn der Gast endlich geht, weil es so anstrengend war, ihn da zu haben.
Ich lebe nicht auf diese Weise. Ich komme mit so viel Liebe in die Häuser der Menschen, dass sich ein Familiengefühl entwickeln kann, in dem man sich damit wohlfühlt, einfach nur man selbst zu sein. Ich bleibe nicht gerne in Hotels, sondern lieber in Familien. In Hotels und Restaurants werden Menschen Gäste genannt. Sie kommen, essen, bleiben über Nacht, zahlen und gehen wieder. Und das Personal gibt sein Bestes, sie zu unterhalten. Doch ich will mir ein Zuhause schaffen weit weg von Zuhause. Wenn ich in jedem Haus, in dem ich bleibe, das Gefühl hätte, ein Fremder zu sein, hätte ich ständig Heimweh. Ich reise zu viel, um das Gefühl des Gastes zu haben. Ich müsste meine Gastgeber neun Monate im Jahr unterhalten, jede Woche eine andere Person.
Auch wenn ich daheim im Ashram bin, bin ich Gastgeber, Menschen kommen, wenn ich dort bin. Ich bin von Besuchern umgeben und wenn ich die Rolle eines Gastgebers, eines Unterhalters spielen würde, könnte ich mich nicht einmal zu Hause wohlfühlen. Ich lade Menschen ein und sage ihnen, sie sollen sich frei und wie zu Hause fühlen. Ich kann nicht für das ganze Jahr Entertainer sein, nur weil ich immer Gast oder Gastgeber bin. Ansonsten wäre ich nicht mehr Swami Ji, sondern nur ein Entertainer. Ich kann diese Kultur, diesen Druck nicht annehmen. Mein Leben ist so. Ich bin immer mit anderen zusammen und ich will, dass alle miteinander natürlich sind, ohne Erwartungen. Wenn ich in jemandes Haus bin, bin ich gerne mit diesen Menschen zusammen, wenn diese Erwartungen nicht da sind.
Es scheint, dass ich verletzt werde, wenn ich meine Liebe so frei gebe. Ich werde nicht damit aufhören, Liebe zu geben. Die Menschen fühlen sich von meiner Energie angezogen. Ich bin offen und lasse jeden in mein Herz. Thomas, mit dem ich meine Gefühle am Morgen auch teilte, sagte, dass meine geliebten Menschen, wie Yashendu, Ramona und er mich vor diesen Menschen schützen müssen. Er sagte, er hoffe, dass ich nicht mein Vertrauen in die Menschen hier verlieren werde. Ich will diese Zweifel nicht und auch keine Distanz.
Warum schreibe ich das heute? Ich schreibe, weil es viele Menschen gibt, die Schmerz und Enttäuschung erleben, weil jemand plötzlich eine Beziehung beendet. Und es gibt viele Menschen, die verschiedenen Arten von Beziehungen auf diese Weise beenden. Bitte verletzt andere nicht, indem ihr etwas sagt, das ihr nicht meint! Denkt nicht, dass ihr Beziehungen von einem Tag auf den anderen beenden könnt! Ich weiß, in eurer Umgebung geschieht das, aber das wird euch nicht zur Ruhe kommen lassen! Ich möchte das teilen, damit nicht mehr so viele Menschen auf die Weise verletzt werden, auf die ich verletzt wurde.