
Seit mehr als zwei Jahren bin ich nun schon stolzer Vater. Das Elterndasein ist etwas, das mir mehr Freude bereitet, als ich mir je hätte vorstellen können. Ich gebe meinem Kind die Grundlagen für ein gutes Leben, helfe ihr, ihre Umgebung zu entdecken und sich selbst zu entwickeln. So viele Dinge möchte ich gerne, dass sie lernt und über eines dieser Dinge möchte ich heute schreiben: ich will, dass mein Kind lernt, ‚Nein‘ zu sagen, besonders, wenn ihr Menschen näher kommen, als es ihr angenehm ist. Ich glaube, dass das besonders in Indien extrem wichtig ist.
Hier ist ein Beispiel einer solchen Situation: Ramona war mit einigen Freunden auf dem Hauptmarkt Vrindavans einkaufen. Apra war natürlich mitgekommen. Während die anderen sich Kleidung ansahen, anprobierten und im ganzen Laden verteilt waren, spielten Ramona und Apra vor dem Spiegel.
Eine Verkäuferin näherte sich ihnen, lächelte und grüßte. Ramona grüßte zurück und Apra war zu sehr ins Spiel vertieft, um etwas zu merken. Also kam die Frau runter auf ihre Knie, gleich neben Apra, und streckte die Hand aus, ganz offensichtlich darum bemüht, Apras Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. Sie berührte sie auf diese eine Weise, die Kinder so ganz offensichtlich nicht mögen, die jedoch Erwachsenen zur Gewohnheit geworden ist: sie nahm Apras Backe zwischen Daumen und Mittelfinger, so dass es aussah, als würde sie sie zwicken. Natürlich tat sie das nicht, aber Apra freute sich trotzdem nicht über diese Berührung. Sie machte zwei Schritte rückwärts in Ramonas Richtung. Die Dame nahm das nicht als Zeichen, sondern streckte auch die zweite Hand aus, um Apras andere Backe zu streicheln.
Das ist der Punkt, an dem wir wollen, dass unser Mädchen selbst sagt, dass sie diese Berührung nicht möchte. Ich will sagen, wie sie lauf und deutlich dieser fremden Person ein ‚Nein!‘ gibt. Ich will ihr nicht beibringen, dass sie deine Finger in ihrem Gesicht ertragen muss!
Was ist das überhaupt für eine Angewohnheit? Ich weiß, du findest meine Tochter süß – das tue ich ja auch – aber berührst du denn jeden Fremden im Gesicht, nur weil du ihn süß findest? Wenn du und wir alle wirklich auch mit Erwachsenen so umgehen würden, wäre das völlig in Ordnung. Dann hätte Apra da auch kein Problem damit, weil sie es ja die ganze Zeit bei jedermann beobachten würde. Aber das machst du ja eben nicht!
Du glaubst, du kannst einfach in den Komfortbereich meines Kindes eindringen, weil sie ja noch nicht einmal einen Meter groß ist.
Frage jeden kleineren Mann oder jede kleinere Frau, erwachsen, aber nur nicht hoch gewachsen, kleiner als der Durchschnittsmensch, wie entwürdigend es ist, so behandelt zu werden! Frage irgendeinen Teenager oder junge Erwachsene und sie werden dir erzählen, dass sie das immer gehasst haben. Von Fremden berührt zu werden. Etwas, das in der Kindheit geschieht und plötzlich aufhört, wenn der Körper zeigt, dass man eine Person ist, der respektiert werden sollte. Eine Person mit Würde und einem privaten Bereich, in den man nicht eindringen sollte.
Warum macht man so etwas mit Kindern?
Weil sie nicht ‘Nein’ sagen können? Weil sie nichts einwenden können? Das sollte eigentlich ein Grund dafür sein, dass du es nicht tust und ich hoffe, dass ich nicht der Einzige bin, der seinen Kindern das Gegenteil beibringt. Wenn du das nicht tust, lernt dein Kind nie, nein zu sagen, nicht einmal im Erwachsenenalter! Dann haben wir Erwachsene, die nicht nein sagen können, die einfach nur tun, was ihnen gesagt wird, die andere auf ihrer Privatsphäre und in ihrem Komfortbereich herumtrampeln lassen. Die Probleme mit Respekt für sich selbst haben und unter niedrigem Selbstbewusstsein leiden. Tu etwas dagegen und bringe deinem Kind bei, ‚Nein‘ zu sagen!
Morgen erzähle ich euch, wie Apra und Ramona reagiert haben und beschreibe die möglichen Lösungen, die Ramona und ich im Gespräch danach für solche Situationen gefunden haben.